Noch vor zwei Jahren war der Ratschlag an jeden Seitenbetreiber bzw. den Verantwortlichen für die Betreuung der Community klar. Sei nett, sei freundlich, bleibe höflich, egal wie unhöflich, frech oder beleidigend der Kommentar oder die Direktnachricht war.
Doch dann hat sich etwas geändert. Mit dem Praktikanten der Welt drehte sich das Blatt: Statt defensiv und entschuldigend frech und direkt Kontra gebend.
Wow? Was war das denn bitte?
Sollten wir Community Manager nicht die professionellen Vermittler und Streitschlichter sein?
Sollten wir nicht deeskalieren und stets höflich und zurückhaltend agieren?
Du musst Dir nicht alles gefallen lassen
Diese Zeiten sind ganz offensichtlich längst vorbei. Die “Welt” als Vorreiter, aber auch zahlreiche andere Unternehmen setzen inzwischen auf freche, direkte Reaktionen, die sich nicht mehr alles gefallen lassen. Frei nach dem Motto: Der Kunde ist König, aber nur solange er sich auch benimmt.
Und ja, das ist gut so. In mehrfacher Hinsicht sogar. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, wie frustrierend und demütigend es sein kann, als Community Manager am anderen Ende eines unzufriedenen Kunden zu sitzen. Und gerade in schriftlicher Internetkommunikation werden Manieren und grundlegende Höflichkeitsformen gern einmal über Bord geworfen. Wer kennt das nicht aus den alltäglichen Kommentarspalten? Dass am Ende des Unternehmensportal ein Mensch sitzt, der Community Manager, wird bei schriftlicher Kommunikation gern vergessen. Dort wird aus Kundensicht wird nur eine gesichtslose Wand angeschrien oder -motzt.
Natürlich hat jeder Kunde das Recht, verärgert zu sein, wenn etwas mit seinem erworbenen Produkt oder seiner Dienstleistung nicht stimmt oder funktioniert hat. Aber deswegen muss man nicht jede Umfangsform oder Höflichkeit über Bord werfen. Was im persönlichen Kontakt selbstverständlich ist, wird im Social Web allzu gern vergessen.
Und dann gibt es natürlich noch die Trolle und Provokateure, denen es gar nicht um Lösungen geht, sondern die einfach nur – oft genug hinter einem Fake-Profil versteckt – Ärger und Stress machen, weil sie es können. Sicherlich könnte man sich über die psychologischen Gründe von solchen Individuen auslassen, aber vielleicht belassen wir es einfach dabei, festzustellen, dass zumindest in einigen Personen die Anonymität des Internet nicht das Beste hervor bringt. Auch und gerade für sie ist der Community Manager nur ein gefundenes Opfer für ihre Aggressionen.
Mit beiden Parteien kann an dieser Stelle gleich umgegangen werden: Zeige Mut, lass‘ Dir nicht alles gefallen und gib‘ Kontra, wenn die andere Seite sich nicht an ein Mindestmaß an Höflichkeit im Umgang mit Dir halten will.
Unterhalte Deine Community
Und dann gibt es noch den Aspekt des mutigen Auftretens generell. Die Abkehr von hochglanzpolierten, geschniegelten Unternehmensfassaden, hin zu echten Menschen, ist der neue Weg. (Oder eigentlich ein Alter, den endlich konsequent umgesetzt wird). Die Community Manager kommunizieren mit der Community ihres Unternehmens offen und ehrlich, aber eben auch etwas frech und witzig.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind dafür ein Paradebeispiel, schon bei dem Titel ihrer Facebook-Seite angefangen: „Weil wir Dich lieben“. (Ja, man könnte sich jetzt über die Zulässigkeit dieses unspezifischen Namens für eine Unternehmensseite streiten, aber darum geht es heute nicht. Und offensichtlich ist man bereit, dieses Risiko einzugehen.)
Ein derartiges Auftreten braucht natürlich nicht nur Mut. Ein Scherz geht in der Wahrnehmung der Fans oder Interessengruppen zu weit, in die falsche Richtung oder kommt aus sonstigen Gründen nicht an, und erzeugt entsprechende Reaktionen (Stichwort Shitstorm). Ein solches Auftreten braucht auch und gerade Mitarbeiter, die dieses Niveau an Interaktion und Kommunikation leisten können und wollen. So aufzutreten macht dem Team der Community Manager wirklich Arbeit.
Ist es das wert?
Sowohl die passende Reaktion auf unhöfliche Kommentare als auch die „etwas andere“ Betreuung einer Unternehmensseite erzeugt oft genug ein massives positives Echo bei den Fans und der Community insgesamt. Seiten wie „Das Beste aus Social Media“ haben sich darauf spezialisiert, solche witzigen Aktionen zu sammeln und zu präsentieren – auch so erreichen solche Aktionen und Verhaltensweisen inzwischen früher ungeahnte Reichweiten.