Was bereits im Dezember seinen Anfang nahm, scheint erst jetzt für die ganz großen Wellen im Social Web zu sorgen: ein Literaturblog hatte eine negative Rezension eines Romans verfasst, woraufhin Autor und Verlegerin die Bloggerin persönlich angriffen und mit Klage drohten.

 

Was war passiert?

Myriel vom Blog Bücherzeit hatte den Roman “Twin-Pryx: Zwillingsbrut” des Autors John Asht rezensiert. Sie bringt dabei, so meine Auffassung, sachlich ihre Meinung zum Ausdruck, und diese war alles andere als positiv. Ihr Eindruck war sogar dergestalt, dass sie es nicht fertig brachte, das Buch komplett zu lesen. “Ungereimtheiten” sowie “schwerfällige Sprache” brachten sie dazu, das Buch wieder beiseite oder wohin auch immer zu legen.

Wer warf den Fehdehandschuh?

Nun ist sicher kein Autor davon begeistert, wenn seine Werke nicht auf Zustimmung treffen. Diese Unbegeisterung schlug sich jedoch bei John Asht in folgendem Kommentar auf die Rezension nieder:

“Na ja, von einer 23-jährigen Fantasy-Leserin, die mit gehobener Literatur überhaupt nichts anfangen kann, erwarte ich auch nicht mehr als eine solch’ unqualifizierte Pseudo-Rezi.
Mädel, schreib’s dir hinter die Ohren: Phantastische Literatur ist nicht „Fantasy“.
Also, tu uns allen einen Gefallen und bleib bei deinen Zwergen und Elfen – für mehr reichts nicht!”

Und er setzte, einige Stunden später, hinzu:

“… außerdem werde ich „Myriel“ und „Bücherzeit“ von meinem Rechtsanwalt gerichtlich ahnden lassen – denn mir sieht diese Einrichtung sehr suspekt aus – etwa so, wie von gewissen Leuten bezahlt, um einem Autor zu vernichten. Das wird teuer, Lady!”

Frau Roder, die Verlegerin des rezensierten Buches schloss sich ebenfalls an, erklärte die Bloggerin zu einer ungebildeten Wirtschaftskriminellen, die, vermutlich gegen Bezahlung, zu einem Boykott aufrufe, und kündigte ebenfalls rechtliche Schritte an, sollte die Rezension nicht umgehend entfernt werden.

John Asht fuhr fort und verfasste im eigens in diesem Monat gestarteten Blog ein Pamphlet wider der Welt der Online-Rezensionen.

 

Wer hob den Fehdehandschuh auf und schlug zurück, wieder und wieder und wieder…?

Ein buchstäblicher Sturm brach los, und die Rezension bekam (bis zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrages) ganze 311 Kommentare. Dutzende Blogs griffen das Thema ihrerseits auf, und allernorts war die Empörung groß: eine grundlegend sachliche Meinungsäußerung dürfe nicht mit rechtlichen Schritten unterbunden werden, sofern man noch immer in einem Land lebt, wo die freie Meinungsäußerung im Grundgesetz abgesichert ist.

Wer liegt falsch?

Ich gehe davon aus, dass allein die negative Rezension keine nennenswerten Verkaufseinbrüche für “Twin-Pryx” gebracht hätte. Nachdem nun jedoch sowohl Autor als auch Verlegerin ihre, nun ja, ungeschickten Kommentare und sonstige Äußerungen in den Äther bliesen, mehrten sich Stimmen, die ankündigten, nun mit Sicherheit keine Werke von Autor oder Verlag zu kaufen.

In Zeiten von SOPA, PIPA und einem Social Web, das sich zunehmend selbst definiert und auf die Werte, die es ausmacht, pocht, haben Herr Asht und Frau Roder ihre höchsteigene PR-Katastrophe selbst heraufbeschworen, indem sie elementare Regeln des Social Webs ignorierten:

 

– freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Sofern jene sachlich gehalten und ohne persönliche Angriffe bleibt, wird es immer schlecht aufgenommen werden, wenn die Reaktion ausfallend wird oder mit Klage droht.

 

– an der Reaktion auf Kritik bemisst das Social Web gerade jene, die beruflich dort agieren: wird auf Kritik sachlich reagiert, wird der sachliche Dialog gesucht, nachgefragt, was man verbessern könnte, kann in der öffentlichen Wahrnehmung die Reaktion auf die Kritik sogar den eigentlichen Kritikgrund überstrahlen. Wird die Kritik jedoch ignoriert oder, weitaus schlimmer, mit persönlichen Angriffen, Drohungen und Abwertung des Gegenübers beantwortet, ist das Social-GAU vorprogrammiert.

 

Hier wurde also so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch gemacht werden konnte. Doch scheint es so, als sei dies zumindest Herrn Asht nicht bewußt, denn immerhin deutet er sowohl die hohen Zugriffszahlen seines Blogs als auch das gehäufte Aufkommen negativer Rezensionen seines Buches in der letzten Zeit als Bestätigung seiner Position.

Mir ist nicht bekannt, welchen generellen Erfolg dieser Autor hat (zudem möchte ich darauf hinweisen, dass sich dieser Post auf meine Einschätzung der Ereignisse im Netz bezieht, besagtes Buch sowie dessen Qualität sind mir unbekannt) und wie sehr seine Reputation nachhaltigen Schaden nimmt, doch scheint mir derzeit die Beurteilung seines Handelns, diplomatisch ausgedrückt, einnehmlich ablehnend, und ich hoffe, dass man sich bei zukünftigen Diskursen ein wenig mehr Gedanken um die Regularien des vernetzten Umgangs macht.

 

Das Thema in weiteren Blogs:

Schreibblockade

Kotzendes Einhorn

Konsensor.de

Stories48

Pudelmützes Bücherwelten

 

 

 

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Stefanie Norden

Stefanie Norden ist Pinterest Virtual Assistant im Team von B2N Social Media Services. Unser Team unterstützt kleine Unternehmen, sich auch als Anfänger und mit wenig Zeit im Social Web bekannt zu machen. Hier erfährst Du, wie wir auch Dir helfen können, online neue Interessenten zu gewinnen.

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2 Comments

  1. Der Mensch ist ein neugierig Tier und ich muss gestehen, dass ich keine Ausnahme bin. Nachdem ich nicht wusste, ob ich bei diesem Thema lachen oder weinen (oder beides) soll, habe ich nach mehreren Blogposts das Buch des werten Herrn Asht bei Amazon gesucht und mir die ersten, frei zur Verfügung gestellten Seiten durchgelesen. Ich muss sagen, ich habe selten ein so schlechtes veröffentlichtes Buch gelesen. Nun mag meine Meinung dadurch geprägt sein, dass mir Herr Asht mit seinem Elitarismus furchtbar auf die Nerven geht (Früher war alles besser, als nur echte und studierte Kritiker kritisieren durften; heute kann ja jeder Idiot etwas veröffentlichen). Wirklich auf die Palme gebracht hat mich sein (inzwischen glaube ich von seinem Blog gelöschtes) Zitat, dass man als Aufforderung zur Vergewaltigung verstehen kann – Näheres im Artikel vom Blog vom „kotzenden Einhorn“. Ich sage nur “Vielleicht sollte ihnen die Krankenkasse eine Therapie bezahlen: eine Kur in lieblichen Gefilden wo es reale Jungs gibt, die ihnen besorgend beibringen, worum es in diesem Leben überhaupt geht.” (John Asht)

    Begründen kann ich meine schlechte Meinung von dem Buch trotzdem. Eine ausführliche Kritik von mir gibt’s bei Amazon in der stetig wachsenden ein-Sterne Ecke, deshalb hier nur die Kurzfassung:
    – Offenbar kein Lektorat, die Hälfte bis zwei Drittel vom Text sollten für einen vernünftigen Lesefluss gestrichen werden
    – Vollkommene Überladung mit Adjektiven und Adverbien
    – Der krampfhafte Versuch, den Text mir uralten Begriffen wie „Antlitz“ literarisch wertvoll anzustreichen, obwohl dieser gehobene Stil dem Autor nicht liegt („triezen“ und „lästern“ auf der einen Seite, „Antlitz“ auf der anderen – ein bunter Stilmix, der scheußlich zu lesen ist)
    – „Show, don’t tell!“ – Niemand will lesen, dass die junge Frau im Prolog „auffallend mystische grüne Augen“ (schon wieder eine Adjektiv Überladung) hat. Man will beim Lesen durch die Reaktionen der anderen Personen fühlen, dass die Augen der Frau auffallend mystisch sind. Jeder Autor kann schreiben, dass sein Protagonist großartig, gutaussehend, mystisch und dabei tragisch ist, aber nur gute Autoren können einen dies fühlen lassen und auf platte Beschreibungen verzichten.
    – Infodump – Der Leser wird mit unnötigen Infos und Detailbeschreibungen überhäuft, die unnötig sind und den Lesefluss verlangsamen.

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